Nachruf Jerome Berryman

7 Aug, 2024 | Aktuelles

Abschied von Jerome Berryman

Die Nachricht vom Tod Jerome Berrymans am 5. 8. 2024 ging in Windeseile um die Welt. Überall trauern Godly Play-Freunde um diesen außergewöhnlichen Menschen und suchen nach Zeichen, ihre Trauer zu teilen.

Jerome Berryman (1937-2024)

Gemeinsam mit der Godly Play Foundation, gibt der Godly Play deutsch e.V. in großer Trauer den Tod des Schöpfers von Godly Play, Rev. Dr. Dr. h.c. mult. Jerome Berryman, bekannt. Er starb am 5. August 2024 im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer langjährigen Erkrankung, zu Hause in Denver/USA. Jeromes geliebte Frau Thea und seine Tochter Coleen gingen ihm voraus. Er hinterlässt seine zweite Tochter Alyda mit ihrer Familie.
Jerome Berryman war ein Gelehrter, ein Praktiker, ein Lehrer und ein leidenschaftlicher Fürsprecher für Kinder. Er war ein hingebungsvoller Ehemann, Vater und Großvater. Mit ihm haben wir auch einen lieben Freund und Mentor für Godly Play-Geschichtenerzähler:innen, Mitarbeitende, Fortbildner:innen und Wissenschaftler:innen weltweit verloren. Sein ansteckendes Lachen, seine Leichtigkeit und sein unerschütterlicher Einsatz dafür, Kinder in die Mitte zu stellen, werden allen fehlen. Jerome hat uns eine Art des Umgangs mit Kindern, miteinander und mit Gott geschenkt, die ehrlich, mutig und zutiefst verbindlich ist. Wenn wir seinen Tod betrauern, wissen wir zugleich, dass seine Art, sein Geschenk in allen unseren Godly Play-Kreisen fortbesteht.

Leben und Werk …

Jeromes Beiträge zur Kinderspiritualität sind unermesslich.
Sein lebenslanges Engagement für die Wertschätzung von Kindern und ihren spirituellen Erfahrungen wurzelte tief in seiner eigenen Kindheit in Ashland, Kansas. In Vorträgen und in seinen Büchern erzählte er oft davon, wie er als Kind in tiefgreifenden Momenten mit unterstützenden Erwachsenen und durch die Beschäftigung mit der Natur dem begegnete, was er als „God of Power“ bezeichnete. Diese Erfahrungen waren lebendig und transformierend und prägten sein frühes Verständnis von Göttlichkeit. Jerome empfand jedoch einen starken Kontrast zwischen diesem persönlichen, dynamischen Gott und dem starreren, formalen „Kirchengott“, der in religiösen Institutionen präsentiert wurde. Diese Diskrepanz weckte in ihm den Wunsch, die Kluft zwischen den gelebten Erfahrungen der Kinder und formalisierten religiösen Lehren zu überbrücken.
Als Jerome viele Jahre später, als Student, an einem Seminar über christliche Erziehung teilnahm, beunruhigte es ihn, dass der Inhalt der Ausbildung nichts mit den gelebten spirituellen Erfahrungen von Kindern zu tun hatte. Das akademische Umfeld machte die Unzulänglichkeiten des gängigen Verständnisses religiöser Bildung deutlich. Diese Erkenntnis wurde zum Katalysator für seine Mission, nach einem Neuansatz zu suchen. Gemeinsam mit seiner Frau Thea machte sich Jerome auf den Weg, ein Konzept religiöser Bildung und Spiritualität zu entwickeln, das die zentrale Bedeutung, Fähigkeit und Kompetenz von Kindern würdigt.
Auf diesem Weg entstand 1974 Godly Play, mit dem ersten konzepttypischen Raum in der Pines Presbyterian Church in Houston, Texas. Bald darauf baute Jerome einen experimentellen Godly Play-Raum am Texas Medical Center Institute of Religion. In diesen sorgfältig kuratierten Räumen haben Jerome und Thea fast 15 Jahre lang mit Kindern gearbeitet. Sie lernten von den Kindern, indem sie Geschichten erzählten und den Kindern beim Staunen, Vorstellen und Schaffen zusahen.
Jerome wusste, dass er auf dem Weg zu etwas Wichtigem war. 1991 teilte er sein Wissen, mit dem grundlegenden Werk „Godly Play: A Way of Religious Education“. Das Interesse an Godly Play verbreitete sich schnell in den USA, als Jerome das Land bereiste, Geschichten erzählte und anderen beibrachte, Geschichten zu erzählen und Materialien herzustellen. Als das Interesse zunahm, wurde Jerome klar, dass er die Praktizierenden nicht allein unterstützen konnte. Deshalb entwickelte er gemeinsam mit seinem Bruder Tom Berryman Godly Play Resources in Ashland, Kansas, um Geschichtenerzählern Materialien zur Verfügung zu stellen. Stück für Stück verbreiteten sich die Skripte für Godly Play-typische Darbietungen. Geschichtenerzähler:innen wurden zu
Fortbildner:innen ausgebildet, um neue Erzähler:innen unterstützen zu können. Jerome gründete das Godly Play Center for the Theology of Childhood in Houston, Texas und schuf damit eine zentrale Anlaufstelle für Schulungen, akademische Angebote, Forschung, Geschichtenentwicklung und Materialien. Das publizistische Werk und die wissenschaftlich-akademische Breite, die Jerome Berryman im Blick hatte, sind absolut beeindruckend. Mit unermüdlicher Schaffenskraft startete er 2002 die Publikation der Buchreihe „The Complete Guide to Godly Play“ (8 Bände). Er beschrieb die praktischen Grundsätze von Godly Play („Teaching Godly Play. How to Mentor the Spiritual Development of Children“, 2009) und die Bezüge zur Montessori-Pädagogik („The Spiritual Guidance of Children. Montessori, Godly Play and the Future“, 2013). Ebenfalls 2009 legte er eine theologiegeschichtliche Analyse des Verständnisses von Kindern vor („Children and the Theologians. Clearing the Way for Grace“). 2017 fragte er radikal danach, was eigentlich „spirituelle Reife“ angesichts der Begabungen von Kindern bedeutet („Becoming Like a Child. The Curiosity of Maturity beyond the Norm“. Jerome übertrug seinen Ansatz auch in den Rahmen häuslicher christlicher Bildung („Storys auf God at Home“, 2018). Veröffentlichungslisten von Jerome Berryman finden sich am Ende dieses Nachrufes.
Allein diese kurze, unvollständige Auflistung führt uns vor Augen, dass Jeromes Tod auch für die religionspädagogische Wissenschaft ein enormer Verlust ist. Mit Recht hat ihn John Hull
(Birmingham) als einen der letzten genialen Gelehrten des 20. Jahrhunderts bezeichnet.

… für eine globale Bewegung

Inzwischen ist Godly Play zu einer globalen Bewegung herangewachsen und in über 65 Ländern aktiv. Die Geschichten wurden in 30 Sprachen übersetzt. Hunderte von Fortbildner*innen und Tausende von Geschichtenerzähler*innen weltweit engagieren sich. Auf der Basis der Arbeit Jerome Berrymans werden Kinder auf der ganzen Welt in Godly Play-Kreise eingeladen, um ihren existenziellen Grenzen durch Geschichten, Staunen und Spielen einen Sinn zu geben.
Prof. Dr. Martin Steinhäuser, Gründungsvorsitzender des Godly Play deutsch e.V., schreibt: „Jerome Berryman zu begegnen, war immer etwas Besonderes. Sein bescheidenes und doch fachlich anspruchsvolles Auftreten hat mich tief beeindruckt. Er ‚verkörperte‘ förmlich die Spannung zwischen unerhörter Ernsthaftigkeit spiritueller Fragen von Kindern einerseits und einer fröhlichen Mitmenschlichkeit. Jerome hat uns auch im deutschsprachigen Raum mit seinem Godly Play ein einzigartiges, kostbares Geschenk gemacht, das wir dankbar aufgreifen, kontextualisieren und weiterentwickeln dürfen. Sein Tod hinterlässt eine schmerzliche Lücke.“
Dr. Heather Ingersoll, Geschäftsführerin der Godly Play Foundation, schreibt: „Seit ich diese Rolle 2020 angetreten habe, hatte ich das Privileg, fast jede Woche mit Jerome in Kontakt zu sein. Es ist schwer, jemanden zu beschreiben, der einer der brillantesten Köpfe in der christlichen Erziehung und Kinderspiritualität war und gleichzeitig so praktisch, sympathisch und freundlich. Sein unermüdlicher Einsatz dafür, dass unsere religiösen und akademischen Räume die spirituellen Wege der Kinder würdigen, ist inspirierend und war ein transformierendes Geschenk für alle, die mit seiner Arbeit in Berührung gekommen sind und noch in Berührung kommen werden.“
Rev. Dr. Rev. Dr. Cheryl Minor, Direktorin des Zentrums für Theologie der Kindheit, erzählt: „Ich traf Jerome 1992 und es veränderte mein ganzes Leben, wie es so vielen anderen auch erging. Es wird mir eine Ehre sein, sein Vermächtnis zu schützen und die Fürsprache für Kinder in der wissenschaftlichen Diskussion und in der kirchlichen Praxis fortzusetzen. Im Godly Play sprechen wir oft von Enden, die auch Anfänge sind. Möge es so sein, während wir um Jeromes Verlust trauern und seine Arbeit in der Welt fortführen.“

Heather Ingersoll, Martin Steinhäuser, 6. August 2024

Nachruf der Godly Play Foundation

Nachruf von Godly Play deutsch e.V. als PDF

Veröffentlichungsliste (dt.)

Veröffentlichungsliste (engl.)

2 Kommentare

  1. David Ruddat

    Ich habe Jerome Berryman nur einmal während einer Zoomkonferenz live erlebt und werde nie dieses neugierige Funkeln in seinen Augen und die absolute Ernsthaftigkeit in seinem Blick vergessen. Er war Godly Play begeistert und konnte andere für Godly Play begeistern. Danke für alles! (David Ruddat)

  2. Monika Ott

    Auch ich erinnere mich gerne an die Zoomkonferenz über den Verein und noch eine über die Uni Bonn. Er hatte eine herzliche Ausstrahlung und hat für die Religionspädagogik ein unvergessliches Werk hinterlassen.
    Seine Darbietungen und Ergründungsfragen haben Kinder immer wieder unterstützt über sich hinauszuwachsen, bzw. ausdrücken zu können, was in ihnen schlummert. Sie werden zu Bibelentdeckern mit tiefen Erkenntnissen, die so manche Sonntagspredigt erblassen lassen. Für die Weiterentwicklung in der Bibeldidaktik ist Godly Play (wie seine Adaptionen) ein großes Geschenk.
    Danke! (Monika Ott)

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